Frauenhaus Caritas Bochum

Dein sicherer Ort!

Dilaras Weg aus der Gewalt

Aus dem Frauenhaus Bochum

Dilaras Weg aus der Gewalt

„Er hat mir alle Wünsche von den Augen abgelesen. Aber nach und nach zeigte er mir sein wahres Gesicht: Kontrolle, Erniedrigungen, Schläge – das war plötzlich mein Alltag. Jetzt fühl ich mich total kaputt und alles tut weh.“ Dilaras Schicksal steht stellvertretend für das vieler Frauen im Frauenhaus Bochum. Sie flüchten zu uns mit körperlichen Wunden und leiden unter den psychischen Folgen.
Werfen Sie einen Blick in unser Haus: In diesem Blogbeitrag zeigen wir Ihnen, wie wir Frauen und ihre Kinder auffangen und ihnen den Weg in ein gewaltfreies Leben ebnen. Erfahren Sie, was uns Kraft kostet, aber auch, was uns große Freude bereitet und Hoffnung gibt.

 

Schleichend breitet sich die Gewalt aus

Dilara hat ihren Namen aus Sicherheitsgründen geändert. Sie ist 36 Jahre alt, Mutter von drei Kindern. Als sie ihren Mann kennenlernt und heiratet, bricht sie ihre Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin ab und zieht zu ihm und seiner Familie in eine andere Ruhrgebietsstadt. Schleichend breitet sich die Gewalt aus: „Erst redete er meine Freundinnen und meine Familie schlecht: ‚Deine Freundin und deine Familie sind komisch.‘, und bestimmte: ‚Ich will nicht, dass du sie weiter triffst.‘ Er beginnt mich zu kontrollieren, gemeinsam mit seiner Mutter.“

„Er hatte ein Auge auf alles, was ich tat. Per GPS-Tracking wusste er immer, wo ich bin, mit einer Spionage-App hörte er meine Handy-Gespräche ab.“

Macht, Kontrolle und Abhängigkeit gehen Hand in Hand

„Er befahl mir zu kochen, zu putzen, den Schwiegervater zu pflegen. Er verbot mir zu shoppen, ins Café zu gehen und sogar meine Bücher von Jane Austen zu lesen. Darin war ich so gern abgetaucht, hab die Gewalt vergessen. Das war meine kleine Freiheit. Aber die Bücher haute er mir um die Ohren. Er hatte ein Auge auf alles, was ich tat. Per GPS-Tracking wusste er immer, wo ich bin, mit einer Spionage-App hörte er meine Handy-Gespräche ab.“
Macht, Kontrolle und Abhängigkeit gehen in Gewaltbeziehungen Hand in Hand: Gewalttätige Männer kontrollieren nach und nach alle Lebensbereiche ihrer Partnerinnen, beherrschen Lebensumstände und ihr Innenleben, das macht sie immer abhängiger. Sie dürfen die Wohnung nicht verlassen, keinen Kontakt zu Freund*innen pflegen, verfügen weder über ein Bankkonto noch über eigenes Geld.

 

Gewaltspirale dreht sich immer schneller

Kontrolle, Abwertung, Schläge, Reue-Bekundungen, Spannungen und wieder Kontrolle – die Gewaltspirale, in der Dilara gefangen war, dreht sich immer schneller: „Er demütigte mich, nannte mich ‚Hure‘, sagte: ‚Guck dich im Spiegel an. So wie du aussiehst. Du bist nichts wert.‘ Sagte ich etwas Falsches, schlug er mich. Besuchte uns meine Familie, schlug er mich, wenn wir allein waren. Er fand immer einen Grund. Später schlug er mich täglich, knebelte mich, presste mir mehrmals hintereinander so lang das Kissen auf mein Gesicht, bis mir schwarz vor Augen wurde. Permanent hatte ich Blutergüsse am Körper und im Gesicht.“

„Seine Demütigungen taten mehr weh als die Schläge.“

Wie viele missbrauchte Frauen leidet auch Dilara an der psychischen Gewalt, den Erniedrigungen, der massiven Kontrolle. „Immer wieder bedrohte er mich: ‚Wenn du mich verlässt, tu ich deiner Familie etwas an. Ohne mich wirst du es sowieso nicht schaffen.‘ Ich habe mich gefragt: ‚Hat er Recht, würde ich ein Leben ohne ihn nicht schaffen?‘ Ich hatte kein Selbstwertgefühl mehr. Seine Demütigungen taten mehr weh als seine Schläge.“

Häusliche Gewalt und alle schauen weg

Sieben Jahre erträgt Dilara die Gewalt, dann bricht sie aus und verlässt ihren Mann. „Ich wünschte, meine Eltern und Geschwister hätten mich unterstützt. Sie haben meine Veilchen ja gesehen.“ Familien und Umfeld schauen oft weg, unterschätzen häusliche Gewalt, erkennen Signale nicht und bieten keinen Rückhalt.

„Auch Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen, Akademikerinnen und Unidozentinnen erleben Gewalt.“

Eva, seit 1988 Sozialarbeiterin im Haus, weiß, dass sich Gewalterfahrungen ähneln: „Oft haben unsere Frauen Gewalt schon als Kinder in der Familie kennengelernt, leben in starken Abhängigkeiten und sind nicht berufstätig. Aber auch Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen, Akademikerinnen und Unidozentinnen erleben Gewalt und flüchten sich zu uns.“ Frauenhaus-Hauswirtschafterin Maren erinnert sich an eine 45-jährige Frau, deren eigene Kinder sich gegen eine Flucht stellten: „Nach Jahrzehnten der Gewalt und als die Kinder erwachsen waren, ertrug es die Frau nicht mehr, sie nahm allen Mut zusammen und kam zu uns. Ihre drei erwachsenen Kinder, mittlerweile Student*innen fürs Lehramt, haben die Entscheidung ihrer Mutter nicht unterstützt. Im Gegenteil: Sie haben den Kontakt zu ihr abgebrochen.“

 

Dilara bricht aus

Dabei kommt die Initialzündung für eine Flucht oft von Kindern. Sie spüren die Angst der Mutter, sind immer, auch indirekt als Zeug*innen, mitbetroffen und hinterfragen die Gewalt. „Mein elfjähriger Sohn hat mir die Augen geöffnet. Er fragte: ‚Wie lang willst du das noch mitmachen?‘. Dann habe ich die Flucht geplant“, berichtet Dilara. „Mein Mann musste zu einer OP ins Krankenhaus. Ich packte alle wichtigen Unterlagen zusammen und fuhr ins Frauenhaus. Mein Mann suchte mich überall, befragte Freund*innen und Familie. Aber nur meine Schwester weiß, wo ich heute bin.“

„Luxus gibt es nicht, das Leben ist beengt und funktioniert nur, wenn alle mitarbeiten.“

Ankommen

Dilara arbeitet heute die erlebte Gewalt und die Traumatisierungen auf – in Ruhe und Gesprächen, an diesem sicheren Ort, der Platz bietet für Trauer und Tränen, der aber auch einen geregelten Alltag zeigen soll. Unsere Frauen leben jetzt in einer Art multikultureller Wohngemeinschaft: Die 14 Frauen und ihre 15 Kinder, die derzeit bei uns leben, stammen aus Deutschland und aus afrikanischen, arabischen sowie osteuropäischen Ländern. Luxus gibt es nicht, das Leben ist beengt und funktioniert nur, wenn alle mitarbeiten.

 

Sicherheit ist elementar

An einem sonnigen, kühlen April-Freitagmorgen versammeln wir uns im Hausgarten: unsere Bewohnerinnen und ihre Kinder sowie wir Mitarbeiterinnen, darunter unsere Leiterin Ulrike Langer, Sozialarbeiterin Eva, Hauswirtschafterin Maren – und Dilara. In der wöchentlichen Hausroutine tauschen wir Informationen aus, wir tragen den Türdienst fürs Wochenende ein – damit Bewohnerinnen die Frauen empfangen können, die außerhalb der Bürozeiten eintreffen –, und wir besprechen Hausregeln, zum Beispiel zur Sicherheit. Sicherheitsregeln sind elementar, unsere Frauen brauchen ein sicheres Haus und Sicherheitstüren müssen stets geschlossen bleiben.

Alltag im Frauenhaus

Auch Reinigungsarbeiten werden verteilt. Alle Bewohnerinnen übernehmen Aufgaben: wischen Böden, saugen Staub, putzen Bäder, entsorgen Müll, putzen Fenster und spülen Geschirr. Maren erstellt und kontrolliert die Putzorganisation, sie weiß: „Das Thema Reinigung ist ein Dauerbrenner. Jede hat ein anderes Verständnis von Sauberkeit. In manchen Monaten läuft es wunderbar, dann wieder weniger. Auch zur Kinderbeaufsichtigung können schon mal Konflikte entstehen: Wenn Kinder zu laut sind oder die Mütter mehr unter sich sind als bei ihren Kindern.“

„Es gibt es kein Zurück. Das wäre mein Todesurteil.“

Auf eigenen Beinen stehen

Dilara lebt seit 2 Wochen im Frauenhaus. Manche Frauen bleiben ein paar Stunden, manche ein paar Monate, manche ein Jahr. Manche kommen schnell unter, zum Beispiel bei einer Freundin, für andere wiederum suchen wir gemeinsam eine Wohnung. Und manche kehren auch zu ihren gewalttätigen Partnern zurück: Weil er ihnen das Blaue vom Himmel verspricht, wegen der Kinder oder weil sie nicht wissen, wie sie es allein schaffen sollen. Undenkbar für Dilara: Sie will eine Wohnung finden und eine Weiterbildung beginnen. „Ich will auf eigenen Beinen stehen. Für mich gibt es kein Zurück. Das wäre mein Todesurteil.“

„Die Wege durch den Gesetzes-Dschungel sind belastend.“

Der Weg in die Selbstständigkeit – ein Kraftaufwand

Wollen unsere Frauen den Weg in die Selbstständigkeit gehen, zieht die Trennung vom Partner einen Rattenschwanz an Herausforderungen nach sich: Ob Wohnungssuche, Besuchsrecht oder Aufenthaltsbewilligung – mit einem Platz in unserem Haus ist es nicht getan. Wir setzen uns mit Jobcenter, Ausländerbehörde, Amtsgericht, mit Ärzt*innen, Polizei und Rechtsanwält*innen auseinander. Für uns und vor allem für unsere Frauen ein Riesenkraftaufwand. „In der Zusammenarbeit mit Behörden stoßen wir manchmal an Grenzen“, berichtet Eva. „Beispielsweise suchen wir für eine syrische Frau und ihre 4 Kinder seit Langem eine Wohnung, aber seit vier Monaten ist ihr Aufenthaltsstatus bei der Ausländerbehörde ungeklärt. Die Behörde kommt nicht nach.“

 

Recht auf kostenfreien Platz im Frauenhaus

Die Wege durch den Gesetzes-Dschungel sind belastend. „In manchen Situationen haben wir das Gefühl, wenig positiv verändern zu können, zum Beispiel wenn eine Frau ihren Aufenthaltstitel durch die Trennung verliert oder keine Jobcenter-Leistungen erhält, weil sie keine fünf Jahre in Deutschland lebt.“
Für gute und professionelle Frauenhausarbeit ist uns auch sehr wichtig, dass die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt konsequent umgesetzt wird: Ob EU-Bürgerin, Studentin, Auszubildende, Schülerin, Migrantin ohne Aufenthaltstitel – alle Frauen haben ein Recht auf einen kostenfreien Platz im Frauenhaus.“

„Hier habt ihr die Chance auf ein neues Leben. Für euch und eure Kinder.“

Frauen blühen auf

Wir stehen viele Kämpfe aus – mit der Gerichtsbarkeit, gewalttägigen Männern, im Zusammenleben, aber wir gewinnen auch viel. „Wenn Frauen den mutigen Schritt gehen und zu uns kommen, können wir ihnen helfen“, sagt Eva, „ihnen Möglichkeiten, Perspektiven aufzeigen und sie bestärken – wie sie das auch untereinander machen. Hier knüpfen Frauen, die vorher isoliert waren, echte Freundschaften. Wenn sie bei uns endlich Ruhe finden, an Stärke gewinnen, aufblühen, glücklich in eine Wohnung ziehen und dankbar sind – das ist großartig und wunderbar.“ Maren ergänzt: „Deshalb ist meine Arbeit mein absoluter Traumjob.“ Ihre Botschaft an betroffene Frauen: „Lasst euch nicht beirren von dem falschen Bild, das gewalttätige Männer über das Frauenhaus verbreiten. Das Frauenhaus ist ein sicherer Ort für euch. Hier habt ihr die Chance auf ein neues Leben. Für euch und eure Kinder.“

 

Für ein friedliches Leben

Dilara rät betroffenen Frauen: „Egal, mit welchen Mitteln euch Männer bedrohen, geht weg und zieht es schnell durch. Ich habe viel zu lange gebraucht, auch weil ich keine Hilfe und keinen Rückhalt hatte. Jetzt werde ich mithilfe einer Therapie lernen, Grenzen zu setzen. Das will ich schaffen. Damit ich ein friedliches Leben mit meinen Kindern leben kann. Und mir meinen größten Traum erfüllen kann: mit meinen Kindern in den Urlaub zu fahren und diese Zeit zu genießen.“

Freie Plätze

Übersicht im Frauen-Info-Netz

Sind Sie akut von Gewalt bedroht, informieren Sie sich im Frauen-Info-Netz über freie Frauenhausplätze in NRW. Haben wir freie Plätze, können Sie uns anrufen. Über eine Rufumleitung aufs Notrufhandy sind wir auch außerhalb der Bürozeiten erreichbar.

 

Frauen-Info-Netz gegen Gewalt

 

Frauenhaus Bochum
0234 501034


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